Besser Teilen als Horten – Warum unser Entlohnungssystem von gestern ist

Unser arbeitsteiliges Organisations-System basiert traditionell darauf, dass Menschen für das entlohnt werden, was sie besitzen, wissen oder leisten. Individuelle Qualifikationen, einzigartige Kenntnisse – und ihre daraus folgende Unersetzbarkeit – sind die Währungen von Erfolg. Wissen und Fakten werden dementsprechend gehortet und eifersüchtig beschützt. Doch dabei geht viel Potenzial für die Allgemeinheit verloren. Denn wir nutzen es nur bedingt und nehmen es irgendwann mit ins Grab.

Wie wäre es, wenn Menschen in Behörden nicht für das Haben, sondern das Tun und Teilen honoriert und entlohnt werden? Wie könnten wir also dieses System so weiterentwickeln, dass es den maximalen Nutzen für den Einzelnen, die Behörde und die Gesellschaft schafft?

Die Antwort liegt in einem Paradigmenwechsel: Weg von der Verteidigung von Besitz und Wissen – auch Silodenken genannt – hin zu einem Modell, das die aktive Nutzung und das Teilen von Ressourcen und Expertise belohnt. Individuen und Behörden, die bereit sind, Wissen und Leistungen offen und flexibel einzusetzen, könnten nicht nur höhere Leistungen erzielen, sondern auch neue Entwicklungschancen schaffen.

Nehmen wir einmal theoretisch das Bundesverwaltungsamt als Beispiel und führen dort ein neuartiges Entlohnungssystem ein, die Wirk-Vergütung.

Ein neues Entlohnungs- und Anerkennungssystem für das Bundesverwaltungsamt

Das Bundesverwaltungsamt (BVA) als zentrale Dienstleistungsbehörde Deutschlands steht vor der Herausforderung, talentierte Mitarbeitende zu gewinnen, flexibel auf gesellschaftliche Veränderungen zu reagieren und gleichzeitig Innovation und Effizienz zu fördern. Das Konzept „Wirk-Vergütung“ böte ein modernes, agiles Entlohnungs- und Anerkennungssystem, das die Motivation der Mitarbeitenden stärkt, Wissensaustausch fördert und die Verwaltung als attraktiven Arbeitgeber positioniert.


Grundidee der Wirk-Vergütung

Sie belohnt nicht nur traditionelle Faktoren wie Berufserfahrung und Position, sondern auch:

  • den konkreten Beitrag zur Effizienz und Qualität der Verwaltung
  • Wissensaustausch und Kooperation zwischen den Mitarbeitenden
  • Flexibilität und Engagement in Projekten mit hoher gesellschaftlicher Relevanz

Das Ziel ist es, Mitarbeitende nicht nur als Verwaltungsakteure, sondern als aktive Gestalter des öffentlichen Dienstes wahrzunehmen und zu belohnen.


Kernprinzipien der Wirk-Vergütung

  1. Impact-orientierte Vergütung
    Die Entlohnung wird um eine Komponente ergänzt, die messbare Beiträge zu Verwaltungszielen und Bürgerzufriedenheit honoriert. Beispiele:
    • Prozessoptimierungen, die Bearbeitungszeiten verkürzen
    • Digitalisierungsvorhaben, die erfolgreich implementiert werden
    • Projekte, die hohe Anerkennung bei Bürgerinnen und Bürger oder anderen Behörden finden.
  2. Förderung von Wissensaustausch
    Mitarbeitende, die aktiv Wissen teilen, erhalten zusätzliche Anerkennungspunkte. Dies kann durch interne Schulungen, die Pflege von Wissensdatenbanken oder Mentoring-Programme geschehen.
  3. Flexible Einsatzmodelle
    Mitarbeitende haben die Möglichkeit, flexibel an Projekten mitzuarbeiten, die über ihre klassischen Aufgaben hinausgehen. Wirk-Vergütung honoriert diese Flexibilität mit Boni, Weiterbildungsmöglichkeiten oder zusätzlichem Freizeitausgleich.

Struktur von Wirk-Vergütung

1. Grundgehalt mit Impact-Komponente

Das Grundgehalt bleibt die stabile Basis. Eine zusätzliche Impact-Komponente wird projekt- oder abteilungsbezogen ausgeschüttet. Mögliche Kriterien:

  • Effizienz: Verkürzung von Bearbeitungszeiten oder Optimierung von Prozessen.
  • Digitalisierung: Erfolge bei der Einführung neuer Technologien, z. B. E-Government-Lösungen.
  • Kundenzufriedenheit: Verbesserungen in der Bürgerkommunikation oder in der Erreichbarkeit.

2. Wissenspunkte (Knowledge Credits)

Ein internes Anerkennungssystem belohnt die aktive Weitergabe von Wissen:

  • Mitarbeitende, die interne Schulungen geben oder Wissensdatenbanken pflegen, erhalten Knowledge Credits.
  • Diese können in Form von Boni, Weiterbildungsgutscheinen oder zusätzlicher Freizeit eingelöst werden.

3. Projektbonus für agile Mitarbeit

Mitarbeitende, die flexibel in strategischen Projekten oder in Zeiten hoher Belastung einspringen, erhalten zusätzliche Prämien. Beispiele:

  • Unterstützung bei Großprojekten, wie der Umsetzung der OZG-Standards (Onlinezugangsgesetz).
  • Einsätze in Krisensituationen, z. B. Pandemiebewältigung oder Flüchtlingsmanagement.

4. Zeit- und Kompetenzbörse

Das BVA könnte eine interne Plattform einführen, über die Mitarbeitende ihre Fähigkeiten und Arbeitszeit projektbezogen anbieten können.

  • Abteilungen können temporär zusätzliche Unterstützung anfordern.
  • Mitarbeitende können so an spannenden Projekten teilnehmen und ihre Kompetenzen erweitern.

Beispiele für Wirk-Vergütung in der Praxis

  1. Digitalisierung der Verwaltung
    Ein Team, das die Digitalisierung eines bestimmten Verwaltungsprozesses erfolgreich umsetzt, erhält eine Impact-Prämie. Mitarbeitende, die als Ansprechpartner für digitale Tools fungieren und ihr Wissen teilen, werden mit Knowledge Credits belohnt.
  2. Mentoring-Programme
    Erfahrene Mitarbeitende, die neue Kolleg*innen einarbeiten oder unterstützen, sammeln Wissenspunkte. Diese können später gegen Weiterbildungskurse oder zusätzliche Urlaubstage eingetauscht werden.
  3. Krisenmanagement
    Bei plötzlichen Aufgaben wie der Organisation von Hilfsleistungen erhalten Mitarbeitende, die flexibel einspringen, eine Projektprämie.

Vorteile von Wirk-Vergütung

Für das Bundesverwaltungsamt:

  • Effizienzsteigerung: Prozessverbesserungen und digitale Lösungen werden aktiv gefördert.
  • Innovationskraft: Wissensaustausch und flexible Zusammenarbeit stärken die Modernisierung der Verwaltung.
  • Attraktivität als Arbeitgeber: Ein modernes Entlohnungsmodell macht den öffentlichen Dienst für qualifizierte Fachkräfte attraktiver.

Für Mitarbeitende:

  • Belohnung für Engagement: Mitarbeitende erhalten Anerkennung für konkrete Erfolge und ihre Flexibilität.
  • Individuelle Entwicklung: Knowledge Credits fördern Weiterbildung und persönliche Karriereziele.
  • Flexibilität und Work-Life-Balance: Flexible Einsatzmodelle schaffen neue Freiräume.

Implementierungsplan

  1. Pilotprojekt: Einführung von Wirk-Vergütung in einer ausgewählten Abteilung, z. B. Digitalisierung oder Krisenmanagement.
  2. Digitale Plattform: Entwicklung eines nutzerfreundlichen Systems für Wissenspunkte und flexible Einsatzplanung.
  3. Schulungen und Kommunikation: Sensibilisierung der Mitarbeitenden und Führungskräfte für das neue System.
  4. Feedback und Skalierung: Anpassung des Modells auf Basis von Feedback und Einführung im gesamten BVA.

Fazit

Eine Wirk-Vergütung schafft ein modernes, leistungsförderndes Entlohnungs- und Anerkennungssystem, das den öffentlichen Dienst effizienter, innovativer und attraktiver macht. Es verbindet persönliche Anreize mit gesellschaftlichem Nutzen und könnte das Bundesverwaltungsamt zu einem Vorreiter in der deutschen Verwaltung machen.